Wahnsinnig global
irgendeinen Heiligen, anlässlich eines speziellen Datums oder zu Reiterspielen und Stierkämpfen begangen werden. Einer der wichtigsten und spektakulärsten ist sicherlich der „Día de los muertos“ vom 31. Oktober bis 2. November. In Mexiko hat man ein offeneres Verhältnis zum Jenseits, wenn zu Ehren der Toten ein farbenprächtiges Volksfest veranstaltet wird. Dann ist das ganze Land in bunten Farben und mit zahllosen Skeletten, Totenköpfen und Blumen geschmückt, während auf den Friedhöfen ausgelassen gegessen, getrunken, gesungen und getanzt wird. Überall bringt man den Verstorbenen verschiedene Opfergaben dar, zu denen selbstverständlich auch Tequila und Zigarren zählen.
Wahnsinnig weit
Seit 27 Jahren sammelt ein Texaner namens Winter weltweit Starbucks-Filialen wie andere Menschen Briefmarken. Bislang hat er in über 19.000 firmeneigenen Starbucks einen Kaffee hastig heruntergestürzt und ein Foto gemacht, um schon zur nächsten Destination zu eilen. Er will sie alle haben. Was ein Problem ist, denn die Kette wächst schneller als Winter reisen kann. Auf seiner Webseite starbuckseverywhere.net dokumentiert der Getriebene sein endloses „Starbucking“, für das er bereits über 150.000,- $ ausgegeben hat. Das Verrückteste an der Geschichte: Er mag den Kaffee nicht mal.
Wahnsinnig viel
Kein Land der Welt konsumiert so viel Kaffee wie Finnland: Jährlich werden 12 kg „Kahvi“ pro Kopf aufgebrüht (während es in Deutschland gerade mal 5,2 kg sind). Hier ist Kaffeetrinken ein fast heiliger Akt, der als „Kaffepaussi“ in geselliger Runde mehrmals am Tag zelebriert wird – zwei davon stehen sogar jedem Arbeitnehmer tariflich zu. Warum die Finnen so kaffeeverrückt sind? „Wir können nicht immer Alkohol konsumieren“, so die selbstironische Antwort. Auch wahr: Kaffeegenuss erhellt die lange, dunkle Winterzeit am Polarkreis ganz vortrefflich.
Wahnsinnig hell
Welche Farbe hat Kaffee? Eigentlich braun; im fertig gerösteten Zustand reicht die Farbpalette der Bohnen von hellbraun bis fast schwarz. Dann kam irgendeine Blitzbirne auf die Idee, die Rösttemperatur drastisch zu drosseln, und schon war ein neuer Trend geboren: Weißer Kaffee! Die blassen Vertreter ergeben einen leichteren, fruchtigen Geschmack mit mehr Säure als Bitterstoffe und leicht erhöhtem Koffeingehalt. „Sei’s drum!“, werden die meisten Kaffeetrinker erwidern. „Der nächste Trend steht sicher schon in den Startlöchern.“
Wahnsinnig traditionell
Wer sich mit Kaffee auseinandersetzt, kommt an Wien nicht vorbei. Hier hat der Trend bei der braunen Bohne einen mächtigen Gegner: die Tradition. Bereits 1685 eröffnete das erste Kaffeehaus in der Donaumetropole. Um 1900 gab es in Wien rund 600 Kaffeehäuser, Treffpunkte namhafter Schriftsteller, Maler und anderer Intellektueller. Dabei fungierte diese Institution schon immer als zweites, kollektives Wohnzimmer. Ein Teil der traditionellen Adressen ist heute zwar Geschichte, doch die Wiener Kaffeehauskultur hat alles überdauert und gehört seit 2011 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Ihre Hauptdarsteller tragen klangvolle Namen: Franziskaner, Wiener Melange, Einspänner, Verkehrter, Kapuziner oder Fiaker sind nur einige der wunderbaren Kaffeeklassiker.
Wahnsinnig politisch
Das koffeinhaltige Getränk und seine Kaffeehäuser waren nicht immer und überall beliebt. Schon im Osmanischen Reich schielte die Obrigkeit argwöhnisch auf solche „Keimzellen potenzieller Revolutionen“. Ebenso beobachteten die Herrscher im Abendland den zunehmenden Kaffeekonsum ihrer Untertanen. Natürlich wurde auch im Wirtshaus heftig politisiert, doch aberwitzige Ideen blieben meist im Alkohol stecken. Kaffee hingegen schien den Verstand zu schärfen und hielt die Bürger wach. Friedrich der Große, der im 18. Jahrhundert selbst gerne das eine oder andere Tässchen trank, verurteilte Kaffee als „wirtschaftsschädigend“, weil er etwa vom Nachbarstaat Hamburg importiert werden musste und die preußischen Bierbrauer über Umsatzeinbußen klagten. Da durch seine Steuererhöhungen nur der Rohkaffee-Schmuggel florierte, schuf der König eine Spezialeinheit: Kaffeeschnüffler, die Häuser stürmten, Hausfrauen abtasteten und Bohnen konfiszierten. Es half nichts – der Kaffee war nicht mehr aufzuhalten und die Spürhunde gingen in den Ruhestand. Heute ist Kaffee mehr denn je ein Politikum: Als zweitwichtigstes Handelsgut nach Erdöl spielen Riesenplantagen sogar bei der Regenwaldvernichtung eine Rolle. Doch der Kenner lässt sowieso die Finger von der Massenware.
Wahnsinnig dumm
Zu viel Kaffee lässt das Gehirn schrumpfen – zu diesem Ergebnis kam eine Studie der University of South Australia 2021. Anhand von 17.702 Teilnehmern (zwischen 37 und 73 Jahren) erkannten die Forscher folgenden Zusammenhang: Je höher der Kaffeekonsum, desto geringer das Gesamtvolumen des Gehirns und umso höher das Risiko für Demenz. Ab sechs Tassen täglich, so die Wissenschaftler, wird’s bedenklich. Demnach hätte man auf intellektueller Ebene von den vieltrinkenden Finnen nicht mehr viel zu erwarten…
Wahnsinnig berauschend
Manch einer ist bekennender KaffeeJunkie – ohne den braunen Wachmacher am Morgen oder der Tasse zwischendurch geht nix! Je nach Typ zeigt das Koffein nach etwa 15 Minuten seine aufputschende Wirkung. Tatsächlich spricht Kaffee dieselben Hirnregionen an wie Heroin und Kokain; Koffein macht aber nicht süchtig. Setzt der Hardcore-Kafficionado seine Bürodroge ab, kann es zwar zu Kopfschmerzen und Müdigkeit kommen, aber ebenso schnell klingen die Symptome auch wieder ab. Koffein findet man zudem in (dunkler) Schokolade, Tee oder Limo.
Wahnsinnig summ
Dass auch Bienen auf Koffein fliegen, fanden Biologen der britischen Newcastle University heraus: Koffeinhaltige Pollen würden die Sammelleistung der Insekten steigern und die Pflanze erhalte treuere Bestäuber. Klingt nach einer Win-win-Strategie. Wissenschaftler der University of Sussex stellten aber fest, dass Maya und ihre Kollegen von manchen Pflanzen regelrecht ausgebeutet werden: Angefixt durch das Koffein, akzeptierten sie auch minderwertigen Nektar, wodurch die Pflanze eine Menge Energie spare.
Wahnsinnig vegan
Kaffee ist vegan. Meistens jedenfalls. Nur wer gerne Entkoffeinierten trinkt, sollte als Veganer auf die Zusatzstoffe achten, denn um die aufgeraute Bohne zu glätten, erlaubt die EU-Zusatzstoffverordnung auch Bienenwachs oder Schellack. Wer seinen Kaffee noch veganer mag, sollte nach Down Under reisen: Die verrückten Australier servieren dort Avocado-Latte & Kaffee aus der Möhre. Das ist kein Scherz. Obwohl der Trend als solcher seinen Anfang nahm, als ein australischer Immobilien-Mogul spottete, die Generation Y würde ihr ganzes Geld nur noch für Kaffee und Avocados ausgeben. Prompt servierte ein Café-Betreiber aus Melbourne den Latte Macchiato in einer ausgehöhlten Avocado. Die „Avolatte“ wurde zum Renner und fand bald Nachahmer, wie den "Carrotcino" aus Sydney. Dabei sei das Heißgetränk in der Mohrrübe erst der Anfang, so die Erfinderin. What next? Ein Espressonion? Ein Tomaffogato?
Wahnsinnig teuer
Sie suchen das Besondere und möchten für ein Pfund Kaffee 120 Euro auf den Tisch legen? Kein Problem: Wie wäre es mit einem „Black Ivory Coffee“ oder einem „Kopi Luwak“? Hier werden die Kaffeekirschen nicht vom Strauch geerntet – man pult die Bohnen aus den Hinterlassenschaften von Elefanten und asiatischen Schleichkatzen (Luwaks). Letztere wurden lange Zeit bekämpft, weil sie auf Kaffeeplantagen gerne die Früchte verputzen. Bis man erkannte, dass die unverdauten Bohnen in den Luwaks eine Fermentation durchlaufen, die den Kaffee „gehaltvoller“ machen. Obwohl der Kopi Luwak erst in den letzten Jahren gehypt wurde, hatte ihn schon Alfred Brehm anno 1883 beschrieben. Der eigentliche Wahnsinn: Weil sich mit der Katzenscheiße ein Wahnsinnsgeschäft machen lässt, werden die meisten Tiere mittlerweile in Käfigen gehalten. Ein triftiger Grund, von dieser Spezialität die Finger zu lassen.
Wahnsinnig gesund
Auch wenn australische Forscher behaupten, dass zu viel Kaffee die Birne weich macht, so enthält das populäre Heißgetränk andererseits viele Antioxidantien, also Stoffe, die zerstörerische Prozesse in den Körperzellen ausbremsen. Aufgrund einer Studie des National Cancer Institutes kommt die amerikanische Gesundheitsbehörde zu dem Schluss, dass Kaffeekonsum eine leicht lebensverlängernde Wirkung hat: Mit vier bis fünf Tassen täglich sinke das Sterberisiko bei Männern um zwölf Prozent, bei Frauen sogar um 16 Prozent. Dies hätte auch der Kolumbianer Javier Pereira bestätigen können. Bevor er 1958 starb, verriet er der Presse sein Geheimnis für ein langes Leben: „Viel Kaffee trinken, Kakaobohnen kauen, manchmal eine große Zigarre rauchen und sich keine Sorgen machen.“ Damit soll er als „ältester Mensch der Welt“ unglaubliche 167 Jahre alt geworden sein. Sagt jedenfalls Kolumbien.
Wahnsinnig logisch
Vor einigen Jahren hat die britische Medienagentur „Pressat“ eine Umfrage unter 10.000 Angestellten gestartet, um herauszufinden, in welcher Berufsgruppe der meiste Kaffee getrunken wird. Wer jetzt auf die IT-Branche tippt, landet auf Platz acht. Taxi- und Fernfahrer? Liegen sogar noch dahinter – auf der Zehn. Ärzte und Pfleger haben es in die Top Five geschafft, davor die Einzelhändler und Handwerker. Rang drei belegen die Lehrer, während die Silbermedaille an die nimmermüden Gesetzeshüter geht. Doch die ungekrönten Herrscher und Herrscherinnen der Kaffeefilter, Espressokannen und Vollautomaten sind die Journalisten und Journalistinnen! Gäbe es da nicht diese australische Studie, könnte man sich jetzt glatt noch einen Kaffee machen.
Der Tanz um die goldene Bohne
wird also nie enden, und das ist auch gut so. Denn die duftende, braune Essenz gerösteter Kaffeebohnen erhellt das menschliche Gemüt wie kein anderes Getränk auf der Welt. Wahnsinn hin oder her, manchmal muss man die Dinge so sehen wie sie sind. Der Sänger Roger Cicero brachte es auf den Punkt: „Guter Kaffee ist wie gute Musik – beides berührt die Seele.“
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